Badbau de Luxe
Bäderbau in der Premium-Nische
Wenn die Bäder von der Stange künftig im Internet geplant werden – wie sieht es mit den Premium-Bädern aus? Experten meinen, dass hier der klassische Bäderbau Zukunft hat, wenn die Kundenansprache stimmt. Ein Besuch in einer Bäderbau-Kathedrale und ein interdisziplinärer Rundflug durch die Psychologie und durch die Welt der Luxus-Nasszellen.
Stephan Krischer betreibt mit dem „Ultramarin“ im Kölner Alten Gaswerk eines der feinsten Badstudios der Republik. Der Reporter fragt: „Wissen Sie, dass ein „Frank Philipp“ in seiner Google-Bewertung über Sie sagt, dass man ohne ein Budget von mindestens 50.000 Euro nicht bei Ihnen vorbeischauen braucht?“ Krischer dazu (betont wertfrei): „Ich kenne die Bewertung.“ Vor den Juwelieren auf den Pariser Champs-Élysées stehen Anzugmänner mit Spiralkabel hinterm Ohr, damit nicht jeder reinkommt. Beim Ultramarin erfüllt ein Google-Kommentar dieselbe Funktion. Auf der Spur des Luxus. Coco Chanel soll gesagt haben, dass Luxus nicht das Gegenteil von Armut sei. Nein: er sei das Gegenteil des Gewöhnlichen. Deshalb sieht Krischers Ultramarin auch eher wie ein Sakralraum aus, wie eine Kirche. Jedenfalls ungewöhnlich, auf keinen Fall wie Klempner-Einzelhandel. Obwohl Krischer handwerklich und technisch ausgebildet ist bis zum Diplom-Ingenieur, ist von Technik keine Spur: „Ich hatte es irgendwie immer mit dem Premiumbad und seiner Ästhetik, das hat mir schon als Lehrling Spaß gemacht, während die Kollegen Angst davor hatten.“
Ist Angst das richtige Wort? Vielleicht schon. Luxuskunden sind vielleicht profitabel, aber mit Sicherheit häufig anstrengend. Sie fordern viel und achten auf die Details. Die Natursteinplatten werden schon mal persönlich mit dem Badgestalter im Steinbruch in Carrara ausgesucht. Hier scheiden sich saubere Arbeit – und kunstvolles, minutiöses Handwerk. Das muss man mögen und damit muss man umgehen können. Das und viel Serviceorientierung ist es, was Stephan Krischer im letzten Vierteljahrhundert zum luxuskompatiblen Badgestalter gemacht hat. Begonnen hat er ganz klein „aus dem Kofferraum heraus“.
Wertewandel in Sachen Luxus zahlt direkt aufs Bad ein
In vielen Regionen Deutschlands gibt es seit einigen Jahren Luxus-Badstudios. Dabei gelten Deutschland, Österreich und die Schweiz als Länder, die eher dem Understatement zugeordnet werden – im Gegensatz zu Russland und China beispielsweise. Seltsamerweise erleben gerade die D-A-CH-Länder eine gesellschaftliche Entwicklung und einen Wertewandel in Sachen Luxus, der dann doch indirekt wieder auf das Bad einzahlt.
Der heutige Lebensstil fordert seinen Tribut: In den Wohlstandsgesellschaften westlicher Prägung steigen die Leistungsanforderungen permanent und setzen die Menschen unter Druck. Nichts ist mehr berechenbar, nichts ist mehr planbar: Arbeitsplatz, Reputation, Familie – alles kann sich blitzschnell ändern. Der Stress, den erworbenen Wohlstand jetzt und auch im Alter zu erhalten, wächst im selben Maße wie die Unsicherheiten. Dieses oszillierende Werte-Set spiegele sich deutlich im Umgang mit Luxus wider, wie eine Studie der Nürnberger Unternehmensberatung „Brand Trust“ ausweist.
Einerseits dient der klassische, materielle Luxus als Belohnungsdroge, Abgrenzungsfetisch und Aufstiegssymbol. Andererseits gilt das Erleben oder Nicht-Erleben als Gegenentwurf zum klassischen Luxusmodell – und ebenfalls als Luxus. Dieser „neue Luxus“ umfasst Gesundheit, gute Ernährung, Selbstbestimmtheit und Erlebniskonsum. Beide Luxusvarianten sind untrennbar verbunden: Produktgetriebener Luxus geht nicht ohne Erlebnis und umgekehrt. Beides verbindet sich im Bad perfekt: Erlebnis und Belohnung, Gesundheit, Schönheit und Körperbewusstsein lassen sich im Luxus-Umfeld meisterhaft zelebrieren – und zwar ohne Protz und Prunk. Denn es ist ein Ritt auf Messers Schneide mit dem Luxus: Sobald er zur Schau getragen wird oder unvermeidlich gezeigt werden muss, kann es kippen. Ganz klar: Ein Lamborghini oder die dicke Uhr am Handgelenk sind anderer Luxus als ein Bad. Der Flitzer ist ein Statement für die Straße, für jeden Passanten zuorden- und einsehbar. Einem luxusuhrverzierten Handgelenk muss man schon näher kommen, um es einzuordnen; die geknöpfte Manschette muss hochrutschen oder hochgerutscht werden, damit man die Rolex erkennt. Die perfekte Dosierung entscheidet darüber, ob andere Menschen die Zeichen des persönlichen Luxus lesen dürfen – oder gar sollen.
5-Sterne-Hotel-Komfort nach Hause holen
Bei den Möglichkeiten zur „Dosierung“ legt das Bad eine Schippe drauf: Luxus im Bad unterliegt absoluter Diskretion. Interessenten und Bewunderer muss der Badbesitzer hier bewusst hinführen – oder er freut sich nur für sich und seine Familie. Und der Luxus eines Bades ist in Details viel codierter als eine Rolex, von der jeder weiß, dass sie teuer ist. Wer zu uns kommt, ist in der Regel ästhetisch orientiert,“ sagt Stephan Krischer. Damit meint er wohl, dass die Kunden die Codes der Innenarchitektur lesen können – und dieses Lesen erlernt haben. Sie können eine LC 4 Liege von Le Corbusier als Original erkennen (und von der Kopie unterscheiden). Und bei „Eiermann-Architektentisch“ bleibt die Mimik kunstbeflissen ernsthaft (von wegen: „… auf was Geflügelzüchter alles kommen!“) Stilsicherheit, edles Material, Maßarbeit: In Summe, so Krischer, „ahnt dann doch jeder, was so ein Bad für einen Wert darstellt“.
„Das Bad ist ein persönlicher Luxus“, sagt Stephan Krischer. Es ist ein Rückzugsort aus dem Alltag, eine täglich mindestens zweifach zu durchschreitende Traum-Tag-Traum-Schranke, in der sich ein Mensch für den Alltag präpariert und von den Ablagerungen des Alltags anschließend wieder befreit. Kontemplation, Naherholungsgebiet in den eigenen vier Wänden, Verwandlungsraum für das nächste Mindset. Das Gefühl, hier nur sich selbst etwas Gutes zu tun, lässt solvente Menschen Geld ausgeben. Die Motive dahinter: Entspannung suchen, Zeit für sich selbst nutzen, den Körper als Vehikel des Erlebens pflegen.
Viel zu dieser Imageaufwertung beigetragen haben die Resorts, Luxushotels und Wellnessanlagen an den schönsten Orten dieser Welt. Das Bad ist ein Vehikel, sich diesen Urlaubs-Komfort nach Hause zu holen. Meist geht es bei der Realisierung solcher Träume um weit mehr als das Bad: Um dessen Integration in einen japanischen Garten zum Beispiel oder dass ein offener Kamin hinein soll. So rückt der Raum für Körperhygiene in den Fokus einer größeren Umbaumaßnahme, einer Kernsanierung oder eines Neubaus. Der Bäderbauer muss damit als Spezialist für die Anbindung des Bades in die Innenarchitektur fungieren. Mit Standardprodukten kommt man da nicht weit. Vieles kommt vom Schreiner, Glaser oder Steinmetz, was diese Badkonzepte auszeichnet – auf Maß. Und natürlich werden alle Funktionen eingebettet in Hausleittechnik. Stephan Krischer: „Die Digitalisierung bringt – neben der Befriedigung des Spieltriebs und einem gewissen Alleinstellungsmerkmal – einen enormen Komfortzuwachs: Lichtstimmungen, unsichtbare Musik und Fernbedienbarkeit von Funktionen sind dem Premiumkunden wichtig und Geld wert.“